Ein Reisebericht von Lotte Guse-Faber

Auch in diesem Jahr hatte der Vorstand des Vereins für die Geschichte Küstrins wieder eine Tagesfahrt für die Mitglieder und interessierte Freunde organisiert. Das Ziel war Landsberg an der Warthe (Gorzow).

Am Schloß Tamsel (Dabroszyn), dessen Restaurierung leider noch nicht beendet ist, fuhren wir vorbei nach Vietz (Witnica). Dort stieg Herr Czarnuch, der bekannte gut informierte Heimatforscher - sowohl polnische als auch deutsche Geschichte - als Tagesbegleiter in unseren Bus.

Die Fahrt führte uns zuerst in das Warthebruch durch das Dorf Pyrehne (Pyrzany). Die Geschichte des Ortes, die Besiedlung im 18. Jahrhundert, die schrecklichen Ereignisse in den letzten Kriegswochen 1945, die Herr Czarnuch sehr anschaulich schilderte, bewegten uns sehr! Interessant ist die Tatsache, daß die Glocken, die heute in Pyrehne läuten, aus der Kirche eines Dorfes in der Ukraine stammen. Menschen aus diesem Dorf fanden hier eine neue Heimat. Nachvollziehbar für gleichermaßen deutsche Betroffene ist die Sehnsucht nach ihrer Heimat im früheren Ostpolen, der sie durch ein großes Gemälde Ausdruck verliehen, das eine ganze Hauswand bedeckt und ihren früheren Wohnort darstellt.

In Hopfenbruch bei Fichtwerder (Swierkocin) wurde vor Jahren ein Safaripark aufgebaut (Foto 1). Aus dem Bus konnten wir die verschiedenen Tierarten aus den Erdteilen und Ländern Amerika, Afrika, Indien oder Mongolei bestaunen. Ein Besuch lohnt sich, besonders auch für Kinder.

Auf der ehemaligen Reichsstraße 1 erreichten wir unser Ziel: Die Stadt Landsberg/Warthe, heute Gorzow, ca. 140.000 Einwohner. Landsberg ist eine lebendige Stadt, obwohl noch Kriegsschäden sichtbar sind, macht sie einen ansprechenden Eindruck. Viele alte Gebäude sind erhalten, bzw. restauriert. So z.B. der große alte Speicher in unmittelbarer Nähe der Warthe (Foto 2). Er wird als Museum, überwiegend für Wechselausstellungen, genutzt. Ferner waren ausgestellt: Fotos und Texte zur Zeitgeschichte während des Krieges waren sehr eindrucksvoll. Interessant war eine Ausstellung über den Honig. Am nächsten Tag fand das Honigfest statt, mit der Wahl der "Immen-Königin".

Der Blick vom südlichen Ufer über die Warthe ist sehr schön (Foto 3). Die Viadukte mit der Eisenbahnlinie "der Ostbahn" sind beeindruckend - die Marienkirche im Mittelpunkt der Stadt, alte und neue Häuser erfreuen den Betrachter. Das besondere Erlebnis war der Besuch in der Villa Schröder. Das repräsentative Gebäude, 1903-1904 erbaut, war Wohnsitz des Fabrikanten Schröder, Inhaber einer Kabelfabrik. Das sehr schöne Gebäude und der Park bilden eine wundervolle Einheit am Rande einer Endmoräne (Foto 4).

In der Villa werden Kunstwerke des europäischen Kunsthandwerkes, der Zinngießer- und Schmuckkunst sowie kirchliche Kunstgegenstände ausgestellt. Die Biedermeier- und Jugendstilräume beherbergen Werke alter Maler und Bildhauer (Foto 5) . Die Wohnräume, Salons, Kabinette und Schlafräume sind überwiegend mit Einrichtungsgegenständen des ehemaligen Bürgertums und des neumärkischen Adels ausgestattet. So sahen wir Familienbilder der in der Neumark - Schloß Charlottenhof - ansässig gewesenen Familie von Klitzing. Besonderes Augenmerk bekamen die Relikte von den Portalen und Wandbildern des Küstriner Schlosses.

Die Parkanlage wird oft als Fotokulisse genutzt. So erlebten wir mehrere Brautpaare, die sich im wunderschönen Park fotografieren ließen (Foto 6). Nach so vielen Eindrücken stärkten wir uns in einem netten Restaurant im typisch polnischen Stil. Dann begann die Rückfahrt.

In Dühringshof (Bogdaniec) wurde in einem romantischen Wiesental eine Pause zur Besichtigung des Mühlenmuseums gemacht. Heute kann man im Gebäude, das nicht mehr als Mühle genutzt wird, sondern als Museum, vielartige Mahlgeräte bis zu modernen Mühlen z.B. auch Kaffeemühlen, Pfeffermühlen etc. betrachten.

Auch Backformen der Vergangenheit, die unsere Großeltern noch zum Backen und Schlachten benutzten, sind dort zusammen getragen worden. Außerdem gibt es eine kleine Ausstellung von Tonfiguren, z.B. eine Frau, die mit hochgerafftem Rock und nackten Beinen Sauerkraut stampft! Auch Figuren von Heiligen sind dort zu sehen.

Unterwegs legten wir noch eine kurze Kaffeepause in einem kleinen Gasthaus ein. Im Glanz der Abendsonne fuhren wir - erfüllt mit vielen interessanten Eindrücken - zurück nach Küstrin-Neustadt. In Küstrin-Kietz stiegen die meisten Teilnehmer aus. Wir zwei Berliner fuhren weiter und kamen wohlbehalten in Berlin an.

In Vietz setzten wir unseren vorzüglichen Erklärer Herrn Czarnuch ab, ihm sei besonderer Dank gesagt. Selbstverständlich gilt Herrn Rogge unser herzlicher Dank für diese sehr interessante schöne Tagesfahrt in das Land östlich der Oder, das vielen Reisenden Heimat war.

Diese Fahrten des Vereins für die Geschichte Küstrins sind "besondere Kostbarkeiten" die den Interessierten sehr gefallen! Wir freuen uns schon auf den Ausflug im nächsten Jahr 2004!

Impressionen

Foto 1: Safaripark Hopfenbruch bei Fichtwerder (Swierkocin)
Foto 1: Safaripark Hopfenbruch bei Fichtwerder (Swierkocin)
Foto 2: Speicher in unmittelbarer Nähe der Warthe
Foto 2: Speicher in unmittelbarer Nähe der Warthe
Foto 3: Der Blick vom südlichen Ufer über die Warthe
Foto 3: Der Blick vom südlichen Ufer über die Warthe
Foto 4: Park an der Villa Schröder
Foto 4: Park an der Villa Schröder
Foto 5: Kunstwerk in der Villa Schröder
Foto 5: Kunstwerk in der Villa Schröder
Foto 6: Brautpaar im Park
Foto 6: Brautpaar im Park