Ein Reisebericht von Lotte Guse-Faber

Am 22. September 2001 unternahm der Verein für die Geschichte Küstrins eine Tagesfahrt in das ehemalige Sternberger Land jenseits der Oder, das bis 1945 zur Mark Brandenburg gehörte. Das Ziel war die Stadt Drossen - Osno Lubuskie - Ziemia Lubuska - Polen.

Die Anreise erfolgte mit der Eisenbahn ab Küstrin-Kietz, drei Teilnehmer kamen aus Berlin. In Küstrin-Neustadt (Kostrzyn) stand der Autobus mit dem polnischen Fahrer bereit. Das gute Wetter versprach einen schönen Tag. Wir fuhren am Rande des Warthebruches auf der ehemaligen Reichsstraße 114 durch Sonnenburg (Stonsk), bogen hinter Limmritz (Lemierzyce) nach rechts ab und erreichten Drossen. Die Stadt hat eine landschaftlich schöne Lage, das hügelige Sternberger Land ist z. T. bewaldet und von stillen klaren Gewässern durchsetzt. Der katholische Pfarrer Herr Koziol - seit Jahren mit der Verfasserin dieses Berichtes bekannt - erwartete uns vor dem Pfarrhaus. Wir besichtigten zuerst die wunderschöne über 700 Jahre alte Jakobikirche. Auffallend ist - im Gegensatz zum gotischen Hallenbau - der Renaissancealtar von 1627 und die reich verzierte Kanzel von 1619. Pfarrer Koziol beendete die Führung mit einem kleinen Orgelspiel auf der klangvollen Sauer-Orgel und unsere Gruppe sang einen Vers aus dem Choral "Großer Gott, wir loben Dich".

Tief beeindruckt war ich von der Gedenktafel für die "Verstorbenen, denen diese Erde Heimat war". Sie wurde vor ca. zwei Jahren installiert. Im Pfarrhaus war inzwischen die Kaffeetafel vorbereitet, nun konnten wir uns stärken. Mit Pfarrer Koziol entwickelte sich dann ein sehr lebhaftes, sehr interessantes Gespräch zu aktuellen Themen und Problemen, die sowohl in Deutschland als auch in Polen bestehen, auch im Blick auf den angestrebten Beitritt Polens zur EU.

Nach ca. zwei Stunden begann die kleine Wanderung um die Stadt. Wir benutzten die "Sonnen- und Schattenpromenade", die schon in früheren Jahren sehr beliebt waren. Die Stadtmauer aus dem Mittelalter ist noch vollständig erhalten, ebenso zwei Stadttore. Außerhalb der Stadt - auf dem "Werder" - befanden sich in der deutschen Vergangenheit die Gärten der Bewohner. Heute werden leider nur noch sehr wenige Gärten genutzt. Der "Werder" wird von vielen kleinen Fließen durchzogen, die sich mit dem Flüßchen Lenze vereinen und nördlich in die Warthe mündet. Nach unserem Rundgang nahmen wir das Mittagessen in einem Restaurant gegenüber der Jakobikirche ein. Danach brachte uns der Autobus zum Röthsee (Reczynek). Dieser klare See ist eingebettet in Waldgebiete, eine wunderbare der Erholung dienende Idylle! Eine Besonderheit fällt auf: Der "Thing-Platz" am See! Vor dem 2. Weltkrieg wurde die leicht ansteigende Fläche am See zu einem Veranstaltungsplatz in Form eines Amphitheaters angelegt. Heute werden dort in jedem Sommer Jugend-Musik-Festspiele durchgeführt.

Über Drossen wäre noch viel zu berichten - doch es würde den Rahmen dieses Berichtes sprengen! Vielleicht noch einige Daten zur Geschichte der Stadt:

918 - 936 Kaiser Otto I. christianisiert die Neumark und das Sternberger Land,
Drossen ist Hauptstadt des Sternberger Landes im Deutschen Reich
1139 - 1220 Der Deutsche Ritterorden siedelt sich an
1369 Drossen erhält das Münzrecht
1535 Johann von Brandenburg übernimmt die Stadt Drossen
1538 Einführung der Reformation
1740 Die Bürger der Stadt huldigen Friedrich II.
1890 Bahnanschluß
1945 Am 1. Februar besetzt die Rote Armee Drossen

Drossen hatte bis 1945 ca. 5.000 Einwohner.
Wirtschaftliche Bedeutung: Braunkohlenabbau, Weberei, Elektromotorenwerk, Maiblumenzucht

Zur Maiblume/Maiglöckchen noch eine Anmerkung: Sie wurde gewerbsmäßig angebaut und entwickelte sich zu einer Haupterwerbsquelle! Die Züchter verkauften die präparierten "Blüher" über die Gärtnereien bis nach Amerika, Australien, England, Rußland. Dort wurden die Pflanzen in Gewächshäusern weiter gezogen und z. T. auch zur Gewinnung von Betäubungsmitteln in der Medizin verarbeitet. Drossen erhielt die Bezeichnung: "Maiblumenstadt". Die Maiblume schmückte sogar den Poststempel bis 1945.

Unsere Tagesfahrt beendeten wir mit einem kurzen Besuch auf den Höhen östlich der Oder, wo zwischen Göritz (Gorzyca) und Ötscher (Owczary) seit zwei Jahren ein "Friedenswald" entsteht, angelegt von Polen, Deutschen und Russen. Unser Blick ging über die Oder zu den Reitweiner Höhen; Erinnerungen an die letzten Kriegswochen von 1945 wurden wach. Der erfüllte Tag klang aus mit einem kurzen Friedensgebet, auch der Terroranschlag vor wenigen Tagen in Amerika bewegte uns sehr.

Dieser Bericht möchte viele Küstriner und Gäste anregen, im nächsten Jahre dabei zu sein, wenn der Verein für die Geschichte Küstrins wieder eine Tagesfahrt anbietet!