Sehr geehrter Herr Rogge, sehr geehrte Damen und Herren des Vorstandes und Mitglieder des Vereins, liebe Gäste und Freunde !

Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über !

Diese alte Volksweisheit möchte ich meiner Danksagung voranstellen, gibt sie doch gut meine augenblickliche Gemütslage wieder.

Voll ist mein Herz des Dankes für die Würdigung meiner Arbeit im Kietz mit Zuerkennung des diesjährigen Johannespreises.

In keiner Minute meiner hiesigen Tätigkeit habe ich an eine Ehrung, nicht einmal an Ehre überhaupt gedacht, sondern ausschließlich aus dem Gefühl der Verantwortung für Geschichte und Geist des Ortes und den Vorfahren gegenüber gehandelt, die hier seit vielen Generationen gelebt und gewirkt haben. Umso mehr war ich überrascht über die Verleihung des Preises, habe es als eine besondere Ehre angesehen und bedanke mich bei allen herzlich, die für diese Entscheidung zuständig waren.

Bedanken muss ich mich auch bei allen, die uns bei unserer Arbeit geholfen haben und im Grunde an diesem Preis teilhaben. Ich danke u.a. unseren Freunden, dem Architektenehepaar Zintler aus Warnemünde für ihre Pläne, den Herren Kutzke und Tiggemann für die zur Verfügung gestellte Technik und die Pflege der Wiesen, dem Ehepaar Mayhak für die jahrlange gärtnerische Betreuung des Friedhofs. Nennen, wenn auch abwesend, muss ich meine Frau, hat sie doch an dem, was wir im Kietz geschaffen haben, mindestens den gleich großen Anteil wie ich. Ich habe dies immer besonders gewürdigt, hatte meine Frau, aus Hessen stammend, doch primär keine Beziehung zum Kietz . Wenn ich vielleicht Ideengeber und Organisator war, war sie der Motor und die Seele des Vorhabens. Die anstrengende Handarbeit der Gärtner haben wir gemeinsam geleistet. Meine Frau kann wegen gesundheitlicher Einschränkung leider nicht anwesend sein, es ist ihr aber auch recht, wenn der " Goldstaub "gewissermaßen der Ehrung allein auf mein Haupt fällt, und sie lässt herzliche Grüße an alle ausrichten.

Allen voran aber gebührt Herrn Rogge Dank und zwar für seine unermüdliche Arbeit für den Verein und seine Verdienste um die Wahrung des Erbes der Stadt Küstrin und des Kietz. Einen Vir bene meritiis pro patria sagten die Römer, ein Mann, der sich um das Vaterland, hier um Küstrin, verdient gemacht hat , und ehrten ihn mit einem goldenen Lorbeerkranz. Und einen solchen möchte ich Ihnen als quasi selbsternannter Repräsentant der alten Kietzer Familien hier virtuell aufs Haupt setzen, stellvertretend auch für alle, die sich auch für diese Aufgabe einsetzen

Gern werde ich als einer der letzten im Kietz geborenen Angehörigen der alten Kietzer Familien angesprochen. Ich komme mir dann immer wie ein exotisches Exemplar einer vom Aussterben bedrohten seltenen Gattung vor. Eine gewisse Eigenheit zeichnete die Kietzer wohl schon immer aus. Selbstbewusst sahen sie auf eine vielhundertjährige Selbständigkeit ihres Gemeinwesens zurück und verteidigten diese hartnäckig, selbst in einem langen Prozess gegen Ansprüche des Soldatenkönigs ,wie gegen den begehrlichen Blick der Stadt Küstrin auf den Kietz als neue Steuerquelle. Ihre über Jahrhunderte gehende gemeinsame Bewirtschaftung ihres allen zusammen gehörenden Landes dürfte einmalig sein. Sie hielten ihre Traditionen bis in die jüngere Zeit hoch, meißelten ihre Standesbezeichnungen in ihre Grabsteine und schnitzten ihre runenartigen Hauszeichen in ihre Wirtschaftsgeräte und fügten diese Zeichen in ihre Wappen ein. Der Großvater erzählt : Wenn einer von ihnen, mit obligater Joppe und in kniehohen Schaftstiefeln angetan, durch die Lange Vorstand zum Bahnhof ging, tuschelten die dortigen Jungen schon einmal : Sieh mal, dort kommt ein Kietzer !

Solcher Art waren wohl auch meine Vorfahren, zumindest mütterlicherseits - die Seite auch des Vaters aus der Glockengießer- und Kaufmannsfamilie aus Wismar darzustellen, würde an dieser Stelle zu weit führen. Es waren die über Generationen im Kietz ansässigen Familie Schultze mit ihrem Gehöft in der Friedenstraße und, an den Garten angrenzend, die Familie Schwan in der Lindenstraße. Mein Großvater brauchte auf diese Weise nur über den Gartenzaun zu schauen, um seine zukünftige Frau zu finden. Zur Familie Schultze gehörte meine eingeheiratete Urgroßmutter aus Wuhden aus der Sippe der Kauls . Über sie hat meine Schwester als 13-jährige Schülerin des Lyzeums in Küstrin einen Aufsatz geschrieben, den ich Ihnen neben anderen als kleines Gastgeschenk mitgebracht habe.

Die Erwähnung des Lyzeums zeigt, dass die Kietzer bei aller Traditionsgebundenheit und verbliebenen Originalität längst ihren Frieden mit der Stadt gemacht hatten und deren moderne Einrichtungen nutzten und auch auf sie angewiesen waren.

Wenn ich übrigens, wie soeben, Mitglieder meiner eigenen Familie erwähne, so nicht, um sie besonders herauszustellen, sondern sie als Beispiel einer alten Kietzer Familie anzuführen, über die mir allein Daten zur Verfügung standen.

Anfangs in der bäuerlichen Atmosphäre der großelterlichen Gehöfte, später im eigenen Anwesen der elterlichen Familie in der damaligen Horst-Wessel-Straße, habe ich die ersten 10 Jahre einer unbeschwerten Kindheit verbracht mit späterer Erinnerung an die Idylle der Wiesen an der Vorflut und an diese mit dem Wehr selbst, an Besuche der imponierenden Höfe der Verwandten im Oderbruch wie auch des vom Vater geleiteten Sägewerks in der Neustadt Es waren z.T. zwar gleichzeitig Jahre des Zweiten Weltkrieges, von mir aber eher als spannende Abenteuer denn als Bedrohung empfunden, zumal die Stadt Küstrin wie der Kietz von direkten Kriegseinwirkungen bis Ende 1944 verschont blieben.

Eine kriegerische Einstellung war den Kietzern, sollte sie jemals bestanden haben, spätestens nach den leidvollen Erfahrungen zweier Vertreibungen und Zerstörung ihrer Heimstätten, wie sie Herr Rogge geschildert hat, nicht zu eigen. Von einem kommenden dritten derartigen Ereignis mit Auslöschung ihres alten Dorfes ahnten sie noch nichts.

Selbst im Ersten Weltkrieg hatten nur drei Kietzer teilgenommen, darunter mein Großvater. Er hat sich dort offensichtlich gut gehalten und kam heil und mit einem vom Kaiser persönlich an die Brust gehefteten Eisernen Kreuz zurück. Ich habe nur durch Zufall davon erfahren und war als Junge verständlich mächtig stolz auf ihn. Aber auch sonst war er für mich als Erwachsener Leitbild, insbesondere auch bei meine Einsatz für den Kietz. Wie wohl kaum ein Anderer war er vom Herkommen wie von seinen ausgeübten Ehrenämtern her mit Wohl und Wehe des Kietz, langjähriger Beigeordneter der Stadt und zeitweiliger vertretender Bürgermeister mit dem Geschick der Stadt und als Deichhauptmann des Sternberger Deichverbandes mit dem ganzen Oderstromgebiet von den Kreisen Frankfurt bis Königsberg vertraut und mit für ihn selbstverständlicher Verantwortung tätig.

Als ich nach Flucht im Februar 1945 und Jahrzehnten in Lübeck 1990 zum ersten Mal zusammen mit meiner Frau wieder den Kietz aufsuchen konnte, fand ich einen Ort vor, der mit dem de Erinnerung nichts mehrgemein hatte. Keines der ursprünglich 60 Gehöfte bestand mehr, keine der mir bekannten Familien habe ich mehr angetroffen.

Von der damaligen Aufbruchstimmung erfasst, suchte ich nach einer Möglichkeit , zum Wiedererstehen des Kietz etwas beitragen zu können. In innerer Bindung an Gestalt und Geist des alten Ortes , aber gleichzeitig aus der Distanz des Außenstehenden und mit der Erfahrung des erlebten Wiederaufbaus Lübecks wandte ich mich, wohl auch mit gewisser, aber von Enthusiasmus überdeckter Naivität in mehreren Schreiben an den damaligen Bürgermeister, Herrn Rosolowski.. Ich regte an, ob man nicht mit dem Argument des durch Kriegseinwirkungen komplett zerstörten Ortes Gelder, die in der damaligen Euphorie der Wiedervereinigung großzügig zu Verfügung gestellt wurden, zumindest für die Wiederherstellung des Straßennetzes , den Rückbau der Gebäude auf dem früheren Marktplatz und die Erstellung von Gewerbeflächen einwerben könnte, um zu verhindern, dass der Kietz Schlafort bliebe und Arbeitsplätze in Seelow oder Frankfurt entstünden. Unter diesem Aspekt hat ein renommiertes Architekten- und Stadtplanungsbüro aus Warnemünde Pläne für den Wiederaufbau des Ortes erstellt. Die Pläne wurden auch der Gemeinde vorgestellt und übergeben, blieben aber wie andere angesprochene Ideen, z.B. der Nutzung der Oderinsel oder der ehemaligen Chemiekaserne leider im brandenburgischen Sand stecken.

Aus dieser Einsicht heraus haben meine Frau und ich unsere ganze Zeit und Kraft in der Folgezeit auf die Restaurierung bzw. Neugestaltung des alten Kietzer Dorffriedhofs verwand.

Der bei unseren Arbeiten auf dem Friedhof aufgefundene älteste und erste Stein aus dem Jahre 1820 dokumentiert die Einrichtung des neuen Friedhofs und kann zugleich als die steinerne Urkunde der Neugründung des Ortes angesehen werden.

" Hier ruhen auf diesem neuen Friedhof,

Welcher am17.August 1820

Für Dich eingeweihet wurde,

Die zwei ersten Leichen".

Es waren die zwei 5 und 2 Jahre alten Schwestern Dorothea und Carolina Kuhnert, die innerhalb einer Woche verstorben waren, es ist anzunehmen , an Diphterie, der damals häufigsten tödlich verlaufenden Infektionserkrankungen. Unabhängig von diesen gewissermaßen unvermeidbaren Erkrankungen erreichte die schon immer hohe Säuglings- und Kindersterblichkeit von etwa 50% in den ersten fünf Lebensjahren in der Zeit von etwa 1860 bis 1880, um dies hier auch geht, in Deutschland einen neuen Höchststand, ausgelöst durch eine aus heutiger Sicht unvorstellbare , aus Unkenntnis notwendiger Kindespflege und hohem Krankstand der Industriearbeiterinnen resultierende Vernachlässigung der Kinder. Einen in dieser Hinsicht geradezu erschreckenden Bericht habe ich ausgelegt, wie er auch mir nicht bekannt war. Auffallenderweise gibt es auf dem ganzen Friedhof außer dem genannten großen nur noch einen einzigen Kinderstein. Vermutlich wurden Säuglinge und Kleinkinder ohne Stein neben bestehenden Familiengräbern beigesetzt.

Stets ein liebevoll gepflegter Ort der Ruhe und des Gedenkens an die hierRuhenden erlitt der Friedhof erhebliche Schäden in den ersten Monaten des Jahres 1945 bei der Vereidigung Küstrins. Umgestürzte Grabsteine, Granattrichter und zerfetzte Bäume blieben wie die Trümmer des zerstörte Kietz als Zeugen wochenlanger Kämpfe . Nach Wegzug oder Tod der letzten Bewohner, die einen Bezug zum Friedhof hatten, verfiel der Friedhof zusehends. Ein großer Teil der Steine wurde entwendet, die übrigen wahrscheinlich mutwillig umgestürzt, die zahlreichen Kreuze abgeschlagen. Auswucherndes Efeu, Bäume und dichtes Gebüsch verbanden sich zu einer Wildnis.

Einer Eigenart des Kietzer Gemeinwesens entsprechend, dessen Ländereien sich ursprünglich im gemeinsamen Besitz der 60 den Kietz bildenden Familien befanden und auch gemeinschaftlich bewirtschaftet wurden, war auch der Friedhof gemeinsames Eigentum. Die den einzelnen Hofbesitzern durch Los bestimmten relativ großen Grabstellen blieben auf Dauer zu ihrer Verfügung. Es bestand deshalb auch keine Notwendigkeit, einzelne Steine zu entfernen. Auf diese Weise blieben glücklicherweise etwa 150, und zwar fast ausschließlich alte, z.T. aus den ersten Jahren der Belegung des Friedhofs stammende Grabsteine, die seinen eigentlichen Reiz ausmachen und seine Bedeutung wesentlich bedingen .

Die Grabsteine mit ihren Inschriften von Namen und Daten, Sprüchen persönlicher und religiöser Gesinnung , von beruflichem Wirken und Stellung innerhalb der Gesellschaft bilden eine Art Spiegel des Lebens der früheren Bewohner des Kietz von Ende des 18. bis Anfang des 20. Jahrhundert .

Im Gegensatz zur heutigen Grabkultur mit zunehmend anonymen Bestattungen vermitteln die Steinen ein fast lebendiges Bild der hier ruhenden Vorfahren. Viele Inschriften geben dem Betrachter einen Eindruck frommer Ergebenheit und der Gewissheit eines Wiedersehens :

Ruhe sanft in dieser Gruft

bis Dich Dein Heiland ruft.

Im rechten Vaterland der Frommen

wohin, Verklärte! Du gekommen

wird frohes Wiedersehn

einst unser Glück erhöhn.

Andere sprechen von oft erfahrenem Leid und arbeitsvollem Leben der Verstorbenen:

Geduldig trug der Gatte seine Leiden,

oder

Wenn das Leben schön war, war es Müh und Plag

Gewürdigt wurden aber auch die Verdienste der Verstorbenen, z.B. des Lehrers Diede, der geradezu eine eigene Institution war und ein gesondertes Kapitel verdient . Es war übrigens die

einzige Grabstelle, auf der wir ein Porzellanportrait des Verstorbenen gefunden haben, wie es in südlichen Ländern üblich ist. Seine Würdigung lautete

Ein guter Vater seinen Kindern,

Ein treuer Lehrer seinen Schülern.

Freund und Berater seinen Mitmenschen.

Alles für andere,

für sich nichts.

Anhand von Berufs- und Standesbezeichnungen erfahren wir vom tätigen Leben der Vorfahren und von ihrer Stellung innerhalb der Gesellschaft. Finden sich in noch erhaltenen Kirchenbuchaufzeichnungen der eigenen Familie in der Mitte des 18. Jahrhunderts, z.B. 1742, noch Angaben wie " Fischer und Eigentümer " oder " Schiffer und Einwohner", werden Hofbesitzer später zum Teil als "Fischergutsbesitzer" oder als " Kietzergutsbesitzer " geführt. Auf allein 32 der 120 Steine auf dem Friedhof findet sich die Bezeichnung " Gutsbesitzer", eine Eigenart des Friedhofs, die sich wohl auf keinem anderen findet. Die Erklärung für diese Häufung von Gutsbesitzern, von denen man landläufig eigentlich eine andere Vorstellung hat: Zu einer Zeit allgemeiner wirtschaftlicher Blüte in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden tatsächlich 23 Kietzer Höfe aufgrund ihrer steuerlichen Werte dem Großgrundbesitz zugeordnet.

Wie sah nun eigentlich unsere Arbeit auf dem Friedhof aus?

In einem Kraftakt von Gemeinsinn wurden mit schwerem Gerät und vielen Händen abgestorbene Bäume gefällt, Stubben und Gebüsch gerodet, Mutterboden angefahren und planiert, Gerümpel einer wilden Deponie aufgelesen und abgefahren. Herr Kutzke als Leiter des Cüstriner Landgutes stellte uneigennützig seine Technik zur Verfügung, die Gemeinde half anfangs mit ABM-Kräften.

150 Grabsteine, davon etwa 120 mit verwertbaren Inschriften wurden in schwerer, unermüdlicher Arbeit von unseren Steinmetzen aus Frankfurt/Oder, z.T. im Boden versunken, ausgegraben, gesäubert und wieder aufgerichtet . Sie übernahmen auch das akribische Ausmalen alter Inschriften. Mit Dokumentation und Verrichtung leichterer, in dieser Ausdauer aber auch für uns ungewohnter, überwiegend gärtnerischer Arbeit mit und ohne Mückenplage haben meine Frau und ich uns eingebracht. Einen nicht geringen Teil unserer Zeit nahm notwendige Organisation in Anspruch. In meinem Adressbuch finden sich allein 90 Eintragungen von Personen, Firmen und Ämtern, mit denen wir zu tun hatten.

Auf diese Weise haben wir über jetzt 30 Jahre mit anfangs jeweils mehrmaligem, später regelmäßig zweimal im Jahr durchgeführten Arbeitsaufenthalt mit eigener Arbeit, zusätzlicher Hilfe und nicht geringen finanziellen Mitteln den Alten Friedhof, soweit noch in Ansätzen erhalten, rekonstruiert bzw. neu gestaltet .

Nach der ersten, etwa über zehn Jahre gehenden Phase des Aufbaus galt es, den erreichten Zustand mit laufender Pflege durch angeworbene Kräfte zu erhalten, die wir in zuverlässigen, engagierten Kietzer Einwohnern gefunden haben, mit denen wir z.T. noch heute in langer Freundschaft verbunden sind.

Um die Ergebnisse unserer Arbeit zu sichern und für die Öffentlichkeit zu erhalten, habe ich mit einer umfassenden Dokumentation einen Antrag auf Aufnahme des Friedhof in den Denkmalschutz gestellt. Der gesamte Friedhof, in dieser Art ein sicher seltener Vorgang, , wurde daraufhin wegen seiner " orts-, sozial-und zeitgeschichtlichen sowie kulturgeschichtlichen Bedeutung ", wie es im Beschluss des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege vom 18. Februar 2003 heißt, in das Verzeichnis der Denkmale des Landkreises Märkisch-Oderland aufgenommen

Die wesentliche Bedeutung des Friedhofs liegt sicher in seinem Wert als " Steinernes Gedächtnis", wie wir es nannten, der Geschichte des Kietz und seiner früheren Bewohner.

Wir wollten dieses Gedächtnis aber auch für die Besucher an einem Ort lebendig erfahrbar sein lassen, an dem Geschichte mit den Händen zu greifen ist, an dem man lesen kann, was die Vorfahren gedacht, gefühlt und auf den Steinen niedergeschrieben hatten. Ein Park zugleich, in dem man spazieren gehen kann, auf der Bank zu Ruhe und Besinnung kommen, die Stille genießen kann, sich an der Natur erfreuen, die im Frühling den ganzen Friedhof mit einem Blütenteppich aus Schneeglöckchen und Scilla bedeckt.

Bei Ende des Krieges wurden auf dem Gebiet des Friedhofs zahlreiche deutsche Soldaten und wahrscheinlich in den Wirren der Kämpfe um Küstrin umgekommene Zivilisten in einem Sammelgrab bestattet.. Durch Intervention beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge konnte eine würdige Gestaltung des Areals vorgenommen werden und den dort anonym bestatteten, vielfach jungen Soldaten mit ihren aufgezeichneten Namen und Lebensdaten ihre persönliche Identität zurückgegeben werden. Unter der Hoheit des Landes stehend, wird die Kriegsgräberstätte als Mahnmal für künftige Generationen erhalten bleiben. Herr Rogge und der Vorstand des Vereins haben die Ehrenpflicht eines jährlichen Gedenkens übernommen.

Mit dem Ziel, um den Friedhof herum eine Zone der Ruhe in einem naturnah zu belassenden bzw. zu gestaltenden Grünbereich zu schaffen, habe ich mit einer Ausnahme die angrenzenden Grundstücke erworben und sie danach dem Umweltamt des Landes Brandenburg zur Verfügung gestellt. Von diesem wurden auf einer noch in Resten vorhandenen Streuobstwiese zahlreiche Obstbäume alter Sorten nachgepflanzt und auf der großen Wiese einzeln oder in Gruppen stehende, somit einen parkähnlichen Zustand bietende Laubbäume gesetzt.. Mein Ziel war, die vorhandene Vegetation des Alten Friedhofs zusammen mit den vom Cüstriner Landgut dankenswerterweise extensiv bewirtschafteten Wiese und den Norkgraben zu einer in seiner Vielfalt wertvollen ökologischen Einheit zusammenzuführen.

In dieses eingebettet , ist - wie wir meinen - mit dem Friedhof ein beachtenswertes Kleinod entstanden. Er vermittelt jedem Besucher, für dessen eigenes Verständnis wichtig, die Geschichte der vorangegangenen Generationen. Es wäre zu wünschen, dass auch die jetzigen Bewohner des Kietz den Friedhof in diesem Sinne annehmen und in ihre eigene zu entwickelnde Tradition einbeziehen.

Wie Sie gemerkt haben, habe ich es nicht bei einer Danksagung belassen. Es hat für mich eher die Bedeutung eines Vermächtnisses. Der Erhalt eines Objektes wie der Friedhof bedarf nicht nur einer gesicherten finanziellen Basis, sondern auch einer Publizität. Es wäre schön, wenn der heutige Tag auch in diesem Sinn wirken würde . Dies umso mehr, als die Unterstützung durch die Gemeinde leider versiegt ist. Soweit mir möglich, werde ich mich bemühen , die weitere laufende Pflege zu organisieren und zu unterstützen. Es wäre aber außerordentlich bedauerlich, sollte der Friedhof mit der Zeit in den Zustand zurückfallen, den wir anfangs vorgefunden haben.

Ich danke Ihnen .