in: Königsberger Kreiskalender 2000

So stand es in großen Lettern über einem Artikel im Küstriner Oderblatt. Gemeint war ein mutiger Feuerwehrmann, der unter Einsatz seines Lebens einen Jungen aus höchster Not gerettet hatte. Das Geschehen spielte sich kurz vor dem II. Weltkrieg ab und war damals in aller Munde.Viele Jahrzehnte sind seitdem verstrichen; da muß ich schon ein bißchen weiter ausholen. Es gab damals in Küstrin 3 Badeanstalten. Die Städtische Badeanstalt lag südlich der Warthebrücken an einem Nebenarm. Das Eintrittsgeld für Kinder betrug 6 Pfennige. Zum Vergleich: 1 Streuselschnecke kostete beim Bäcker 5 Pf., 1 Schachtel Streichhölzer beim Händler 3 Pf. Verlockend für uns war der 3m-Sprungturm. Aber dort herrschte ein strenges Regime des Bademeisters, so mieden wir sie. Die Freibadeanstalt nördlich der Warthebrücken hatte für uns Altstädter Jungen einen zu weiten Anmarschweg. Wir badeten lieber in der Oder zwischen den Buhnen am Kietzer Tor. Das Wasser war sauber. Wenn wir durstig waren, schöpften wir es an den Buhnenköpfen mit den Händen und tranken es. Alle waren wir gute Schwimmer. Ich erinnere mich, daß ich schon mit ca. 8 Jahren die Oder durchschwamm, gesichert durch eine selbst gebastelte Schwimmweste aus Binsen. In der Regel trieben wir 1 bis 1® Buhnen ab. Die Strudel an den Buhnenköpfen mieden wir. Die besten Sandbänke lagen am gegenüberliegenden Ufer. Und dort in der Nähe der damaligen Taubenstation lag auch die 3. Küstriner Badeanstalt. Das Küstriner Pionierbataillon hatte sie aus alten Pontons errichtet. Sie schwamm mit ihren Kabinen und Laufstegen auf dem Wasser und war eine Kleinausgabe der Städtischen Badeanstalt an der Warthe.

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Eine Pionierübung gegenüber dem Schloß, nur etwa 25 Jahre früher

Als Badestelle beliebt war auch das Wehr an der Odervorflut. Wenn der Wasserstand so war, daß es leicht überflutet wurde, konnte man sich an den Steinen des Wehres festkrallen und wurde dann von hohen Wasserkaskaden überspült. Um die Pionierbadenanstalt soll es hier nun aber gehen: In einem strengen Winter hatte man sie ans andere Ufer geholt und zwischen den Buhnen vor dem Schloß mit Seilen gesichert. Dort war sie dann eingefroren. Das war nun der Spielplatz für uns Altstädter Jungen, konnte man sich doch in den Kabinen prima verstecken und auf den Laufstegen Greifen spielen. Wenn im Frühjahr das Eis auf der Oder aufbricht, kündigt sich das schon stundenlang vorher mit lautem Krachen und Bersten an. Auch uns war dieser Vorgang geläufig, aber beim Spielen hatten wir nicht darauf geachtet. Erst als uns die Halteseile um die Ohren pfiffen - sie waren durch den Eisdruck gerissen - merkten wir, daß wir mit der Badeanstalt abtrieben. Wir sprangen über die Eisschollen an Land, einige mußten auch mit dem eiskalten Wasser Bekanntschaft machen; aber einer schaffte es nicht mehr. Er trieb mit der Badeanstalt ab. Da half kein Schreien und Jammern, sein Leben war in höchster Gefahr. Zu seinem größten Glück strandeten die Pontons erst einmal im Weidengestrüpp vor der Bastion König kurz vor der Oderbrücke. Dort sammelten sich immer mehr Menschen an; und dann hörten wir auch das Tü-ta-tü der Feuerwehr. Jemand mußte sie alarmiert haben. Wir hatten uns schon längst verkrochen und schauten aus gesichertem Versteck dem Geschehen zu. Ein mutiger Feuerwehrmann setzte sein Leben aufs Spiel und ließ sich von der Höhe der Bastion König abseilen.

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Eine der schönsten Ansichten der Stadt Küstrin, in der Mitte die Bastion König

Es gelang ihm, den Jungen zu bergen und über eiligst zusammengebundene Leitern auf dem Wall in Sicherheit zu bringen. Die Leute auf der Brücke hatten mit Bangen zugeschaut und klatschten nach dem Gelingen laut Beifall. Wer nun aber am nächsten Tag den Namen des Jungen im Oderblatt suchte, der suchte ihn vergebens. Unser Schulfreund Walter Piehl hatte kaum mit seinen Füßen sicheren Boden erreicht, da machte er sich eiligst davon, und keiner hatte ihn Gottseidank erkannt. Begünstigt wurde das Versteckspiel dadurch, daß der Sohn des Stadtkommandanten, Achim Sorsche, unser Schulkamerad war. So kannten wir alle Winkel und Schleichwege auf den Bastionen der Küstriner Festung. Daheim wartete auf uns alle eine Tracht Prügel, das war damals so üblich. So verzichteten wir darauf, in der Zeitung benannt oder gar als Helden gefeiert zu werden. Unser "Held" hat inzwischen das Zeitliche gesegnet und der Retter auf der Bastion sicher auch. Diese Geschichte soll an seine Heldentat erinnern. Wie gewagt das Unternehmen damals war, zeigte sich wenig später. Die Pionierbadenanstalt riß sich erneut los und zerschellte an den Brückenpfeilern. Küstrin hatte nur noch 2 Badeanstalten. Es folgte der II. Weltkrieg; und da hatte man andere Sorgen als den Wiederaufbau einer Badeanstalt.

Rudi Vogt