Wenn ich heute meiner Enkeltochter 50 Mark Taschengeld gebe, weil ihre Klasse in den Ferien nach Südtirol fährt, dann freut sie sich natürlich. Und wer wundert sich schon noch darüber? Regelmäßig gezahltes Taschengeld an Kinder ist üblich.

Meine Gedanken aber gehen zurück in die 30er Jahre. Für 10 Pfennige bekam man beim Kaufmann ein Viertel Pfund Bonbon, z.b. grüne Ahornblätter. Aber selbst diese 10 Pfennige konnten uns unsere Eltern nicht geben, wir mussten sie uns selbst verdienen. Kinderarbeit war üblich, in der Landwirtschaft zu gewissen Zeiten sogar die Regel. Die Bauern im Kietzer-busch, u.a. Dewitz, Schmidt, Karge, Altmann und Unglaube hatten uns für bestimmte Feld- arbeiten schon fest eingeplant. Das Verziehen der Rüben war so eine Arbeit. Es durfte beim Hacken keine Fehlstelle geben; und standen zwei Rübenpflanzen dort, wo nur eine stehen sollte, gab es auch ärger. Nach zwei Stunden am Nachmittag war kurze Pause. Ein Topf Malzkaffee mit Milch und eine dicke Klappstulle mit Leberwurst oder Blutwurst entschädigten für das viele Bücken, die Blasen an den Händen und den schmerzenden Rücken.

Nach weiteren zwei Stunden wurde der Lohn ausgezahlt: Das waren 50 Pfennige für vier Stunden harte Arbeit. Dafür konnte man bei Schwerdtners am Kietzer Tor fünf Tüten Eis essen oder zweimal ins Urania-Kino gehen und sich einen Pat- und Pattachon-Film oder einen amerikanischen Western ansehen. Wen wundert es da, dass wir auch am nächsten Tag wieder fleißig bei der Arbeit waren.

Harte Knochenarbeit war das Kartoffellesen hinter der Maschine im Herbst. Schien die Herbstsonne, dann lief es ganz gut. Aber wenn es nieselte oder der Nebel über dem Bruch lag und die Feuchte in die Kleider drang, dann wurde es unerträglich. Da wollte dann selbst die fetteste Schmalzstulle nicht mehr schmecken. Fehlte der Knecht, dann mussten wir oft die gefüllten Körbe an den Wagen tragen und die schwere Last anheben und in den Wagen schütten. Das ging über unsere Kräfte. Der Modder an den Schuhen machte alles noch schwerer.

Wir durften so viele Kartoffeln mitnehmen, wie wir tragen konnten. Diese Kartoffeln waren im Familienhaushalt fest eingeplant. Da füllten wir oft kleine Säcke, die wir gar nicht bewältigen konnten. Und fielen die dann unterwegs gar von den Rädern, dann war die Verzweiflung nicht zu schildern. Es war schon dunkel geworden, die Räder drehten sich vor Modder nicht, der Heimweg war noch weit, und die Kräfte waren völlig verausgabt. Da flossen die Tränen, der Sack blieb liegen, wo er war.

Zwischendurch haben wir Veilchen gepflückt, mit einem Zwirnsfaden gebündelt und das Sträußchen für fünf Pfennige verkauft. 20 Krebse, frisch gefangen und in einer Blechbüchse mit Wasser geliefert, brachten gar eine Mark. Für Veilchen und Krebse gab es feste Kunden, die oft schon auf die Lieferung warteten. Dieses Taschengeld war dagegen ganz leicht verdient.

Rudi Vogt