Mit Priem Gossert im Holzkahn auf Abenteuersuche

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Es war Sommer, wir waren noch jung, wenn ich mich recht erinnere, etwa 13 Jahre, und mein Freund, Priem Gossert, der Sohn des Fischermeisters Gossert aus der Webergasse in Küstrin-Altstadt, auch. Wir trafen uns am Durchlaß des Kattewalls und steuerten auf eine der vorgelagerten Oderbuhnen in Höhe des Küstriner Schloßturmes zu. Dort hielten wir Kriegsrat, hatten unsere Oberkleidung in einem nahen Gebüsch auf der Buhne versteckt, sodaß wir in der Badehose bereit waren, etwas zu unternehmen. Es dauerte nicht lange, als wir über den beiden Oderbrücken dunkle Rauchschwaden erkannten und immer näherkommend einen Schleppzug mit Lastkähnen ausmachten, der oderaufwärts dampfte. Nun reifte unser Plan. Wir ließen den Schleppzug erstmal vorbeidampfen und wußten, daß meistens am Ende des Zuges ein kleiner hölzener Rettungskahn angebunden war, der hinterherschipperte. Dem war auch so. Wir rein in die Oder und schwammen, sodaß uns der Schiffsführer nicht erkannte, bis an das Ende des Schleppzuges, um in den schlingernden Holzkahn zu gelangen.

Es gelang uns vor der Kurve, welche die Oder an dieser Stelle machte, in den glitschigen Kahn zu kommen und dieses möglichst geräuschlos. Es war schon vorgekommen, daß der mitfahrende Schiffsjunge das Vorhaben entdeckte und mit einem langen Stakpaddel nach den blinden Passagieren schlug. Unsere Aktion war nicht so einfach, schließlich sollte der Kahn nicht vollaufen. Mein Freund mußte auf der anderen Seite stramm dagegenhalten. Am Kahn war der verwaschene Name Ratibor zu lesen. Ich weiß den Namen noch heute. Wie das damals so üblich war, hatte ich während des Krieges eine Briefbekanntschaft mit einem Mädchen aus dem schlesischen Ratibor. Später stellte sich heraus, daß wir sehr unterschiedlichen Alters waren und der Briefverkehr schlief ein.

Der Schleppzug zog nun vorbei am Bienenhof, den Odervorflutwiesen entlang des Oderdammes in Richtung Göritz/Lebus. Wir entschlossen uns, den Kahn zu verlassen und sprangen in die Oder. Auf dem Rücken schwimmend machten wir den "toten Mann" und ließen uns stromabwärts nach Küstrin treiben bis wir fern den Küstriner Schloßturm sichteten und wir uns konzentrierten, die richtige Buhne zu erwischen, von der wir gestartet waren. Ich fühle noch heute die heiße Sonne auf meinem Gesicht brennen während wir, im Wasser treibend, die Strecke überwanden. Die Oder war unser Lebenselixier.

Das Erlebnis hatte noch ein unschönes Ende. Wir trafen unsere Abschwimmstelle genau und steuerten auf das Gebüsch zu, wo wir unsere "Klamotten" versteckt hatten, doch, oh Schreck, die Sachen waren weg. Eine heikle Angelegenheit. Wir stellten uns schon im Geiste auf eine Standpauke unserer Eltern ein. Aber unsere Suchgeduld hatte sich gelohnt. Freunde hatten unser Vorhaben am höher gelegenen Kattewall beobachtet und die Sachen am Ufer versteckt, mehrere Buhnen weiter weg, und so endete unser Oderausflug zu Wasser doch noch abenteuerlich für uns beide. Priem Gossert - ich denke noch oft an dich.

Von Ernst Brieger