10. August 2002

in: Königsberger Kreiskalender 2003

Schicksale der Fürstengruft unter dem Chor der Küstriner Pfarrkirche

Im November 1999 fanden Stettiner Archäologen bei Grabungen innerhalb der Ruine der Küstriner Pfarrkirche einen Sargdeckel aus Zink mit der Jahreszahl 1574, der zum Sarg der Markgräfin Katharina von Braunschweig-Wolfenbüttel gehört. Der Deckel, der zur näheren Untersuchung mit nach Stettin genommen wurde, war an den Rändern leicht beschädigt, was auf Grabräuberei hindeutet. Nach dem Sarkophag des Markgrafen Johann von Küstrin suchten die Archäologen in der verschütteten Gruft allerdings vergeblich. Diesem geheimnisvollen Grabgewölbe, von dem der folgende Beitrag handelt, war in den fast 450 Jahren seiner Existenz ein höchst wechselvolles Schicksal beschieden.

MarkgrafJohann lo

Markgraf Hans von Küstrin (1513-1571)
Nach einem zeitgenössischen Stich
(P.F. Mengel: Das Oderbruch I. Eberswalde 1930, Tafel 13)

1536 erhob Markgraf Johann (Hans) von Brandenburg (1513-1571), Bruder des brandenburgischen Kurfürsten Joachim II., Küstrin zur Residenz seiner selbstständigen Herrschaft in der Neumark. Im Jahr darauf heiratete er Katharina von Braunschweig-Wolfenbüttel und ließ die nur auf zwei Dämmen erreichbare Stadt zu einer Festung ausbauen.
Bereits 1555 veranlasste der Markgraf nach dem Beispiel seines Bruders Joachim II., der sich schon 1545 in der Domkirche zu Cölln ein fürstliches Begräbnis hatte herrichten lassen, den Einbau eines schlichten Gruftgewölbes unter dem Chor der Marienkirche, in dem er nach seinem Tode ruhen wollte. An dessen nördlicher Wand wurde bei dieser Gelegenheit eine Messingtafel mit folgender Inschrift befestigt:

"Johans Marggraff zu Brandenburg etc.
ein Son Marggraff Joachims dieses
Namens des ersten Churfursten zu
Brandenburg etc. hatt durch Gottes
Vorsehung im Jahr nach Christi Geburt
MDXXXVI angefangen die reine Lehr
des heiligen Evangelii und Worts Gottes
Inhalts der Augsburgischen Confession
nach prophetischer und apostolischer
Schrifft alhier zu Custrin und folgig
durchs gantze Furstentum der Neven
Marck und in andern seinen Landen und
Herrschaften offentlich lehren zulas-
sen und ob solcher Bekantnus selbst
aus Gnaden des Almechtigen bestendick
geplieben und also durch desselbigen
Hulffe die Seinen dabei behalten.
M. D. LV.
Solus. spes. mea. Christus."1)
H. M. Z. B.


1) Allein Christus ist meine Hoffnung

Am 13. Januar 1571 starb er mit gerade 58 Lebensjahren und wurde, wie drei Jahre später auch seine Gemahlin, in dieser Gruft unter großem Gepränge beigesetzt.
Von dem Gewölbe führte ein schmaler Gang in ein zweites, das gerade so groß war, dass, wie im markgräflichen, zwei Särge Platz fanden. Es war für die beiden Töchter Elisabeth und Katharina bestimmt, doch keine von beiden ist hier beigesetzt worden. In dieser Gruft ruhten die Markgrafen Friedrich und Georg Albert aus dem Hause Hohenzollern, die beide nacheinander Herrenmeister des Johanniter-Ordens in Sonnenburg waren, aber im Küstriner Schloss residierten.

Zweimal dem Vergessen anheim gefallen

Die Markgrafengruft in der Pfarrkirche zu Küstrin ist zweimal derart in Vergessenheit geraten, dass niemand mehr die genaue Lage kannte, obwohl in den Altar folgende Inschrift gemeißelt war, die darauf deutete, dass irgendwo unter ihm der Markgraf ruht:

"Hac parva magnus requiescit Marchio in urna,
Marchio, quem pietas luget et alma fides.
Imperio quantus fuerit, tu quaerere noli
Herois titulos versper et ortus habent."

Diese Inschrift lautete in einer Übersetzung aus dem 18. Jahrhundert2):

"Der große Markgraf schläft in dieser kleinen Kammer!
Die Gottesfurcht und Treu beweinen ihren Jammer.
Du darfst, wie groß dem Reich er war, gar nicht fragen;
Es kann Dir Ost und West die Heldennamen sagen."

2) Nach der Übersetzung von Hänfler 1710

Vor dem Altarbild knieten, aus Marmor in Lebensgröße gehauen, der Markgraf und seine Familie mit zu Jesus erhobenen Händen. In einer Beschreibung aus dem Jahre 1710 heißt es über die Statue des Markgrafen: "Es ist recht köstlich Sr. Durchlaucht Degen, den er um hat, nebst einem silbernen Knopf, Griff und Ortband und einer silbernen Kette, so da wiegt 44 Lot. Auf dem Griff steht in Silber auf der einen Seite Sr. Durchlaucht Porträt, auf der anderen Seite von gleichem Metall der Markgräfin Bildnis, etwas erhaben und wohl poliert; auf der Scheide aber in Silber Adam und Eva mit dem Baum der Erkenntnis und der Schlange. Dies ist in diesem Jahre, 1707, renovieret, auspoliert und übergoldet worden."3)
Dies war wahrscheinlich jenes Alabasterdenkmal, das Katharina, jüngste Tochter des Markgrafen und Gemahlin des späteren Kurfürsten Joachim Friedrich, zu Ehren ihrer Eltern von dem berühmten Bildhauer Cornelis Floris über der Gruft errichten ließ. Es wurde 1758 völlig zerstört.

3) Handschriftlich bei M. J. Hänfler 1710

Pfarrkirche lo

Der Altar auf dem hohen Chor der Küstriner Pfarrkirche,
unter dem sich die Fürstengruft befand
(Ralf Juon: Küstrin 1232/1932, S. 68)

Bei der Öffnung eines anderen Begräbnisses im Jahre 1705 hatte man den Eingang zur Fürstengruft erstmals wieder entdeckt, doch "auf ausdrückliches hohes Verbot" durfte er damals nicht geöffnet werden. Am 15. August 1758, kurz vor der Schlacht von Zorndorf, wurde die ganze Altstadt von Küstrin durch das russische Artilleriebombardement eingeäschert. Dabei wurde die Marienkirche völlig zerstört. Das zusammestürzende Mauerwerk durchschlug auch das Grabgewölbe. Dickmann berichtet, dass man nach der Einäscherung der Kirche die Gruft geöffnet hätte, "die eiserne Röste, darauf der Sarg stehet, etwas schadhaft, den Sarg aber unverletzt gefunden".4) Der Eingang wurde daraufhin wieder vermauert. Die Zerstörungen, die 1880 bei der Wiederauffindung der Gruft augenfällig wurden, können also erst später verursacht worden sein, und zwar während der Zeit der französischen Besetzung zwischen 1806 und 1814. Nach 1767 wurde die Kirche auf den alten Grundmauern wieder aufgebaut, doch die Fürstengruft geriet erneut in Vergessenheit.

Was wusste Theodor Fontane ?

Auf seinen Recherchefahrten in das Oderland hat Fontane Küstrin mehrmals besucht, und zwar im Mai und September 1860, im Juni 1862, im Dezember 1878 und zuletzt im Februar 1879. Von der Gruft hat er bei diesen Besuchen sicher nichts zu sehen bekommen und verlegt sie irrtümlich gar in die Schlosskirche. Für sein Küstrin-Kapitel in den "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" benutzte er u.a. die Chronik der Stadt Küstrin von Kutschbach aus dem Jahre 1849. Nach einer längeren Passage über das Leben und Wirken des Markgrafen Hans kommt Fontane auf dessen Tod und Begräbnis zu sprechen: "Als er in der ersten Januarwoche 1571 die Nachricht empfing, dass sein Bruder, der Kurfürst, auf seinem Jagdschlosse zu Köpenick plötzlich gestorben sei, mochte er das Herannahen seines eigenen Endes fühlen. Eine Ohnmacht überfiel ihn, und als er aus ihr erwachte, ließ er seinen Hofprediger und Generalsuperintendenten Dr. Cölestinus zu sich rufen. Dieser kam und setzte sich mit an den Tisch, auf dem Speisen aufgetragen waren, und als das Gebet gesprochen, sagte der Markgraf: ,Hilf Gott! Wie arme Leute sind wir! Wär ich doch schier in einer Ohnmacht dahingegangen. Ach, was ist das Leben. Dolor et labor.5) Lieber Gott, gib, dass wir seliglich sterben.'
Das war am 12. Januar. Die Nacht darauf schied er aus dieser Zeitlichkeit. Schon fünfzehn Jahre vorher hatte er sich unter dem Marmoraltar seiner Küstriner Schlosskirche ein Grabgewölbe herrichten und demselben auch eine Inschrift geben lassen. Und zwar standen an einer in die Wand eingelassenen Messingtafel die folgenden Worte: ,Johannes, Markgraf zu Brandenburg, ein Sohn Markgraf Joachims I., Kurfürsten zu Brandenburg hat durch Gottes Vorsehung im Jahre 1536 angefangen, die reine Lehre des Evangelii und Wortes Gottes, inhalts augsburgischer Konfession, nach prophetischer und apostolischer Schrift allhier zu Küstrin öffentlich lehren zu lassen, und ist in solchem Bekenntnis, Er und die Seinigen, aus Gnaden des Allmächtigen beständig geblieben. Solus spes mea Christus.'
In dieser Gruft wurde Markgraf Hans in feierlicher Weise beigesetzt, und die Chronisten geben eine Beschreibung davon, nicht viel kürzer als die Beschreibung seines Lebens."6)

4) Dickmann 1769
5) Kummer und Mühsal
6) Fontane, S. 309 f. Für seine Arbeit am Küstrin-Kapitel benutzte der Meister u.a. Kutschbach, der wiederum auf Seyffert fußt.

Die Suche nach der Fürstengruft im Jahre 1880

Die Auffindung der Markgrafengruft hat solche Furore in Küstrin gemacht, dass man sich lange Jahre die Geschichte von einem mächtigen Blitzstrahl erzählte, der an der Chorseite der Kirche in die Erde gefahren sei und die Grüfte und Särge freigelegt habe.
Doch in Wirklichkeit geschah alles ziemlich unspektakulär. "Im Jahre 1880 hatte sich der damalige Kronprinz Friedrich Wilhelm an den Regierungspräsidenten Grafen Villers in Frankfurt a.O. gewendet mit der Anfrage, ob in Küstrin ein Denkmal für den Markgrafen Johann von Brandenburg-Küstrin existiere. Graf Villers richtete darauf unterm 27. Juni 1880 an den damaligen Oberpfarrer Petri ein Schreiben, in welchem er auf die Nachricht der Seyffert'schen Chronik hinwies, wonach Markgraf Johann in einem Gewölbe unter dem Altar der großen Marienkirche beigesetzt worden sei; er fragte, ob dies Gewölbe, der Sarg und die in der Chronik näher beschriebene Tafel noch vorhanden oder durch das russische Bombardement von Küstrin vor der Schlacht von Zorndorf 1758 verloren gegangen seien. Auf diese Anregung hin entschloss sich die Pfarrgemeinde, Nachforschungen nach der Markgrafengruft anstellen zu lassen."

AufrissPfarrkirche lo

Die Fürstengruft unter dem Altar der Pfarrkirche zu Küstrin,
Zeichnung von 1894
(Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg,
Band VII, Teil 1, Tafel 15)

Der Regierungsbauführer L. Herrmann, der zur selben Zeit am Neubau der Oderbrücke beschäftigt war, übernahm mit mehreren Arbeitern die Nachgrabungen. Auf den Rat des damaligen Küsters Köppler begann man in dem Raume unter der südlichen (nach der Oder zu belegenen) Treppe, die zum Hochaltar hinaufführt. Kaum hatte man hier einen Fuß tief den Schutt ausgehoben, als man auf ein Gewölbe stieß, das sich bei näherer Erforschung als die Gruft der beiden Prinzen erwies. Man fand zwei Zinksärge ... . Der eine, südlich stehende, in welchem nach der Aufschrift die Gebeine des Prinzen Georg Albert ruhen, war im ganzen wohlerhalten. Am anderen dagegen war die eine Längswand bedeutend ausgebogen, ersichtlich von Menschenhand, um den Inhalt zu erforschen. Außerdem zeigte dieser Sarg auf seinem Deckel, der nur lose darüber lag, mehrere kreisrunde Löcher von verschiedener Größe, bis zum Durchmesser von 10 cm, die augenscheinlich von Bombenkugeln herrührten, die Anno 1758 ihren Weg selbst in diese Tiefen genommen hatten. Am auffallendsten war es, dass in diesem Sarge zwei Schädel gefunden wurden, beide augenscheinlich von Erwachsenen herstammend."7)

Die Fürstengruft wird entdeckt

Beim Weitergraben stieß man unter der Kanzel auf ein Gewölbe, in dem die vermoderten Holzsärge der Schlieben'schen Kinder standen. Das Gewölbe wurde zugeschüttet, der über ihm liegende Gedenkstein8)

in der Vorhalle nördlich von der Sakristei eingemauert.
Man war schon nahe daran, die Nachforschungen einzustellen, als ein in der Ostwand der Prinzengruft befindliches, als Basrelief gemauertes Kreuz die Aufmerksamkeit des Regierungsbauführers auf sich zog. "Man schlug in diesem Kreuze eine Öffnung in die Gewölbewand und begann mit einer Sondierstange hineinstoßend den dahinterliegenden Boden zu untersuchen. Und siehe da - immer traf die Eisenstange auf einen harten Widerstand, eine Wand, die sich besonders nach links hin (Norden) auszudehnen schien.
Nun schöpfte man wieder frische Hoffnung. Der Lage nach musste ein etwaiges Gewölbe sich unter der Sakristei befinden. Hier setzte man also weiter ein und begann den Fussboden in der Mitte aufzubrechen. Die Erwartungen in betreff eines Gewölbes wurden nicht getäuscht. Kaum einen Fuss tief unter der Dielung stieß man auf Gewölbemauerwerk. Aufs höchste gespannt, begann man dieses aufzuschlagen. Es erforderte viel Mühe, da die Wölbung aus senkrecht gesetzten, dem früheren Gebrauch gemäß sehr großen Steinen angefertigt war. Endlich war eine Öffnung da, groß genug, um hindurchzusehen. Welche Freude, als Reg.-Bauführer Herrmann, der zuerst hineinschaute, berichten konnte, dass er an der nördlichen Wand eine Schrifttafel erblickt hätte. Schnell wurde das Loch vergrößert, so dass man einsteigen konnte. Ein Bild der Verwüstung zeigte der Innenraum. Das sollte eine Fürstengruft sein? Es war die längstgesuchte. An der Aufschrift der Tafel erkannte man es. In welchem Zustand fand man aber die Särge! Der eine nach Norden zu stehende stand mitten im Schutt. Unmittelbar darüber war, so lehrte der Augenschein an der Decke, schon einmal das Gewölbe durchschlagen worden. Damals war wohl der Schutt herniedergefallen und hatte gerade die Mitte des Sarges getroffen. Ein ähnlicher Durchschlag war in der südwestlichen Ecke der Gruft zu erkennen, ... Von dem nördlichen Sarge selbst fand man nur den Kranz der 4 Seitenwände ... Der Sargdeckel war von Westen nach Osten hin vom Sarge fast ganz zurückgebogen und hing am Fußende herab. Eine Inschrift war nirgends zu finden. Von einem Boden war keine Spur zu erkennen. Der Inhalt des Sarges musste in dem darunter befindlichen bräunlichen Schutt gesucht werden. Der andere südliche Sarg befand sich in einem besseren Zustande; er war fast vollkommen erhalten. Die Inschrift ... war noch leserlich.
An den Seiten, wo Deckel und Seitenwand zusammenstießen, zeigte indes auch dieser Sarg Spuren eines gewaltsamen Öffnungsversuches. Augenscheinlich war hier mit einer Brechstange durchgestoßen worden; die Löcher waren groß genug, um mit der Hand durchfassen zu können. Schutt lag auch hier am Fußboden, wie in der ganzen Gruft, doch hier in geringerer Menge."9)

7) Troschke, S. 3 f.
8) Auf diesem Stein stand unter anderem geschrieben: "Unter diesem Leichsteine ligen begraben des edlen gestrengen und ehrenvesten Libori von Schlieben churfürstlich brandenbrugischen Raths und auf Tammendorf und C..to erbsessen Kinderlein Got verleihe ihnen eine frohliche Auferstehung."
9) Troschke, S. 5 f.

Gruft lo

Die Fürstengruft in der Küstriner Pfarrkirche
(Ralf Juon: S. 68)

Die Fürstengruft wird restauriert

Am 29. Juli 1880 war die Markgrafengruft wiederentdeckt worden. Der Regierungspräsident beauftragte nach einer offiziellen Besichtigung den Regierungsbauführer Herrmann, Pläne zum Ausbau der Gruft und deren Zugänge anzufertigen. Sie wurden auf dessen Befehl dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm übersandt, der sie durch den Hofbaurat Persius überarbeiten ließ und deren Ausführung genehmigte. Die Kosten dafür beschloss die Stadt Küstrin zu tragen.
"Ehe der Ausbau des Gewölbes begann, mussten die Särge und der Schutt entfernt werden. Der Schutt unter dem nördlichen (markgräflichen) Sarge wurde durch ein Sieb geworfen, die gefundenen Knochenreste wurden sauber gesammelt. Trotz sorgfältigster Nachforschung war eine Spur des Schädels dabei nicht zu finden. Der südliche Sarg, nach der Aufschrift der Markgräfin Katharina, wurde vollständig geöffnet. Man fand in ihm die Gebeine fast vollzählig und sämtlich wohl in der ursprünglichen Lage. Auch die Bekleidung der Leiche war noch kenntlich. Sie bestand aus einem braunen Kleide, das von oben nach unten gestreift war und zwar so, dass ein etwa 5 cm breiter Streifen Sammet mit einem ebenso breiten Streifen glatten glänzenden Stoffes, mutmaßlich Atlas, abwechselte. Auch die Schuhsohlen fand man noch, ja noch etwas Haar. Die überreste auch dieses Sarges wurden herausgenommen und gleich denen des Markgrafen in einer Holzkiste verwahrt. Die metallnen Särge wurden nun herausgeholt. Der Deckel von dem Sarge der Markgräfin wurde nach Berlin in die Sargfabrik von F. O. Kersten, Gitschinerstr. 94, geschickt, um als Modell bei der Anfertigung der den alten genau nachzubildenden beiden Ersatzsärge zu dienen. Zugleich mit diesem Sargdeckel sandte man auch den nördlich stehenden Prinzensarg, dessen Seitenwand ausgebogen und dessen Deckel durchlöchert war, zur Reparatur nach jener Fabrik; er wurde grade gebogen und bekam einen vollständig neuen Deckel, auf dem dann das alte Kruzifix wieder befestigt wurde. Wie oben berichtet, hatte man zu allgemeiner Verwunderung zwei Schädel in diesem Sarge gefunden. Die Vermutung liegt wohl nahe, dass einer von beiden der des Markgrafen Hans ist, der in seinem Sarge fehlte. Von allen Särgen blieb nur der südlich stehende am besten erhaltene Prinzensarg unter der Erde."10)

Im Zuge der weiteren Restaurierungsarbeiten wurde ein neuer Zugang zu den Gewölben vom nördlichen Sakristeieingang her ausgehoben. Dabei fand man nach Norden zu die Gruft des Geschlechts von Dohna, in der vier Särge standen. Die Ausführung dieser Särge sei prunkvoller als bei den markgräflichen gewesen. Diese Gruft ist sofort wieder zugemauert und außen durch eine Gedenktafel kenntlich gemacht worden.11)

Das Schlieben'sche Gewölbe ist bei der Schaffung des Zugangs zur Fürstengruft aufgehoben worden. In der Prinzengruft wurde zwischen den Särgen der Fußboden eingetieft, um größeren Personen das Stehen zu ermöglichen. Auch das Gewölbe darüber wurde vollständig erneuert. In der markgräflichen Gruft fand nur eine Ausbesserung am Gewölbemauerwerk statt. Sie bekam allerdings einen neuen Fußboden. Dabei stieß man unmittelbar unter dem alten Fußboden erneut auf menschliche Gebeine. Eine Vertiefung an der südlichen Wand schien der alte Eingang gewesen zu sein und wurde belassen. Die vom Markgrafen selbst veranlasste Gedächtnistafel wurde herausgenommen und neu vergoldet. Schließlich erhielten die vier Sandsteinsockel, auf denen die Särge standen, die gleiche Randform.


10) Troschke, S. 7
11) Auf dieser Tafel stand folgender Text:

"Im Gewölbe hinter dieser Wand sind beigesetzt:
Graf Christian-Albrecht zu Dona
Kurfürstlich Brandenburgischer General-
Feldzeugmeister und Gouverneur von Cüstrin,
geb: im Schlosse Cüstrin 1621, gest: 1677.

Seine Gemahlin:
Gräfin Sophia Theodora zu Dona
Geborne Gräfin von Holland-
Brederode-Vianen, gest. 1679.

Deren Söhne:
Graf Carl-Emil zu Dona
Herr der Souverainität Vianen und
Kurfstl. Brandb. Obrist eines Regiments
zu Fuss, geb: 1658, erschossen bei der
Belagerung von Ofen am 3.7.1686.

Graf Ditrich zu Dona
Kurfstl. Brandb. Obrist eines Dragoner Regiments
geb: 1659, erschossen auf der Bresche
beim Sturmangriffe von Ofen am 17.7.1686"

 

Die neuen Särge

Als die Prinzengruft mit der markgräflichen durch einen kurzen Gang verbunden war, ging man daran, die neuen Särge in letztere hineinzustellen. In den Sarg des Markgrafen setzte man zunächst einen Holzkasten, der die Gebeine aufnahm. In die Zwischenräume drückte man zu allen vier Seiten die Reste des alten Metallsarges hinein. Der neue Sarg wurde mit einem Metalldeckel verschlossen, der verlötet wurde. Seine Inschrift hatte der Kronprinz festgelegt. Sie lautete:

"Johann
Markgraf zv
Brandenbvrg.
Geboren
3. August 1513.
Gestorben
13. Januar 1571."

 

Ganz ähnlich verfuhr man mit dem Sarg der Markgräfin. Neben den alten metallenen Sargteilen kamen in ihn noch die Trümmer eines Holzsarges, die sich in ihrem alten Sarg fanden. Auf dem Deckel des neuen Sargs, der 1999 in der Pfarrkirche wieder entdeckt wurde, steht folgender Text:

"Ich getraw Got in allen Dingen.
Nach Christi vnsers Herrn vnd Seligmachers Gebvrt
1. 5. 7. 4. Jhare am Sontage Vocem jvcvnd: avf den Abend
vmb 5 Vhr ist in Got christlich vnd seliglich verstor
ben die dvrchlevchtige hocgeborne Fvrstin vnd Frav Fraw
Katariena Geborne Herzogin zv Bravnschweick vnd Lvn
Bvrg, Marggraff Johanns zv Brandenbvrgk selige nach
Gelassene Wittwe Ihrer F.G. Altaers im 58
Jhare welcher Selen der Almechtige Gott gene
dig sei vnd J. F. G. eine freliche Avfersthe
vnge zum ewigen Leben verleien wollte
Anno 1574 den XVI Mai."

 

Auf Anregung des Kronprinzen

Die markgräflichen Särge wurden von der Sakristei aus durch eine im Gewölbe offengelassene Öffnung hinabgesenkt, die man anschließend vermauerte.
Am 1. Juli 1882 waren die Wiederherstellungsarbeiten an den Grüften in der Küstriner Pfarrkirche abgeschlossen. Vor der Prinzengruft brachte man später noch eine eiserne Tür an und sicherte den äußeren Eingang bei der Sakristei ebenso durch eine eiserne Gittertür.
Die feierliche Übergabe des erneuerten Gewölbes durch den Magistrat als Bauherrn und dem Gemeindekirchenrat als Hausherrn fand am 15. August 1882 statt. Dabei wurde beschlossen, die Besichtigung der Gruft nach Meldung beim Küster zu gestatten. Ein knappes Jahr später, am 26. Juni 1883, besichtigte Kronprinz Friedrich Wilhelm in Begleitung des Herzogs von Edinburgh und späteren Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha die Küstriner Fürstengruft.
Am Eingang war die Inschrift zu lesen:

"Auf Anregung
Sr. K. K. Hoheit des Kronprinzen
des Deutschen Reiches und von
Preussen wiederhergestellt
durch die Stadt Cuestrin
MDCCCLXXXII."

 

Mit der gesamten Altstadt im Festungsbereich fiel im März 1945 auch die Küstriner Pfarrkirche in Schutt und Asche. Dass sie jemals in ihren Formen aus den Jahren nach 1767 wiedererstehen wird, ist nicht sehr wahrscheinlich. Die Gruft wurde nach der Zerstörung offensichtlich auf der Suche nach Schätzen oder Buntmetall geplündert, sonst hätten die Archäologen mehr finden müssen. Dass es sich bei Markgraf Hans und den spärlichen Überresten seines Begräbnisses um ein Kulturerbe handelt, das Polen und Deutsche gleichermaßen angeht, steht außer Frage. Drei Jahre nach der Freilegung allerdings droht dem nur notdürftig abgedeckten und wenig gesicherten Grabgewölbe nun der endgültige Verfall, wenn nicht bald etwas geschieht.

Pfarrkirche2 lo

Die Pfarrkirche in Küstrin, erneuert nach 1767
(Kunstdenkmäler VII/1 S. 313)

So bleibt nur die bange Hoffnung, dass die Grabstätte eines Renaissancefürsten, der in seiner Zeit europäische Geschichte mitgeschrieben hat, nicht ein drittes Mal in Vergessenheit gerät.

Dr. Reinhard Schmook

Literatur:

M. J. Hänfler: Leben Johannes v. Küstrin. Handschrift, bestimmt für König Friedrich I., um 1710
(1913 im GstA zu Berlin, Rep. 94 IV. C.3.)

G. Ph. Dickmann (Kammer-Gerichts-Advokat und Bürgermeister): Leben und Thaten Johanns von Küstrin.
Handschrift, um 1769 (1913 in der Handschriftensammlung der Königlichen Bibliothek zu Berlin, Ms. Bor. Qu. 106)

J. C. Seyffert (Feldprediger des Tauentzienschen Regiments und Königl. Preuß. Konsistorialrat, Neumärkischer Superintendent, Inspektor und Oberprediger in Küstrin): Annalen der Stadt und Festung Küstrin.
Aus Urkunden und Handschriften bearbeitet. Küstrin 1801

K. W. Kutschbach: Chronik der Stadt Küstrin. Küstrin 1849

P. Troschke (Archidiakonus in Küstrin): Die Auffindung der Fürstengruft in der Marienkirche zu Küstrin im Jahre 1880.
Nach amtlichen Akten und mündlichen Mittheilungen von Augenzeugen. Küstrin 1897

Gustav Berg (Oberlehrer): Cüstrin seit hundert Jahren. Ein Beitrag zur Heimatskunde. Cüstrin 1902

Gustav Berg: Beiträge zur Geschichte des Markgrafen Johann von Cüstrin. Landsberg a. W. 1903 (= Schriften des Vereins für Geschichte der Neumark, Heft XIV)

L. Noel (Major z.D.): Aus der Geschichte Küstrins. Berlin 1906

Gustav Berg: Die evangelischen Kirchen der Stadt Cüstrin. In: Schriften des Vereins für Geschichte der Neumark, Heft XXIV, Landsberg a. W. 1910, S. 1-22

C. Fredrich: Die Stadt Küstrin. Küstrin 1913

Ralf Juon (Unteroffizier bei der Kommandantur Küstrin): Küstrin 1232-1932. Küstrin 1932

Hermann Thrams: Fürstengräber in Küstrin. Die Gruft des Markgrafen Hans in der Marien-Pfarrkirche.
In: Heimatzeitung des Kreises Königsberg/Neumark, 9. Jg. Juli 1958, Nr. 7

Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Zweiter Teil: Das Oderland, Barnim-Lebus.
Berlin und Weimar 1976