in: Königsberger Kreiskalender 2000

Nomen est omen, eine Jahrtausende alte Weisheit. Unsere Heimatstadt Küstrin hat im Laufe der Geschichte viel durchgemacht; aber niemand kam auf den Gedanken, in diesen 700 Jahren den Namen zu ändern, wenn man die veränderte Schreibweise von Cüstrin zu Küstrin unbeachtet läßt.

Erst den Kommunisten fiel es 1954 ein, Küstrin von der Landkarte verschwinden zu lassen. Welchen Grund sie dafür hatten, bleibt unerklärlich. In einem Flugblatt, mit dem sie die Bevölkerung unter Druck setzten, steht u.a.: "Diese Forderung nach "Küstrin-Kietz" oder "Küstrin" kann nur von Menschen gestellt werden, die an einem neuen Krieg interessiert sind und den friedvollen Aufbau bei uns stören wollen."

Das war unlogisch, denn bis 1954 hatten sie den Ortsnamen selbst geführt. Unlogisch blieb auch, warum die geteilten Städte Guben und Görlitz ihren Namen behalten konnten. War aber der Grund die preußische Geschichte, dann hätte man wohl Potsdam zuerst umbenennen müssen.

Ein halbes Jahr führte Küstrin nun den Namen "Friedensfelde".Es gibt einige gestempelte Urkunden mit diesem Namen, aber meines Erachtens kein Kartenmaterial. Die Einführung dieses Namens bereitete den Behörden Kopfzerbrechen, ein anderer Name mußte her. "Kietz" war ihre Lösung.

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Ortseingangsschild, Sommer 1991

Eine gute war es nicht, denn "Kietz" ist gar kein Ortsname. Man braucht sich nur in Brandenburg umzuschauen, Kietze gibt es fast in jeder Stadt, u.a. auch in Berlin und Frankfurt/Oder. Kietz ist allgemein die Vorstadt am Wasser, im Ursprung eine Fischersiedlung. Es gab Probleme mit der Post. Auch wir erhielten Sendungen, die fehlgeleitet worden waren. Erst mit der Einführung der Postleitzahlen endete das allmählich.

Viele Einwohner und Betriebe und auch der Pfarrer widersetzten sich anfangs. Auf Kopfbögen las man weiter "Küstrin-Kietz" und Absender und Adressen wurden verbreitet mit "Küstrin-Kietz" geschrieben. Diese Post kam immer an, aber allmählich paßte man sich doch an.

Die Kommunisten schienen ihr Ziel erreicht zu haben, Küstrin auszulöschen. Die Bevölkerung gewöhnte sich langsam an den neuen Ortsnamen. Aus den Küstrinern wurden die Kietzer. Auch die Landkarten wurden mit der Zeit verändert. 35 Jahre dauerte dieser Zustand, dann kam die Wende. In der Zwischenzeit hatten viele Küstriner den Ort verlassen und waren zum Teil in den Westen geflüchtet. Dafür hatten hier an der Grenze zu Polen viele Zöllner und Grenzer eine neue Heimat gefunden und Familien gegründet.

So fanden wir in der demokratisch gewählten Gemeindevertretung erst einmal keine Gegenliebe, als wir den Vorschlag machten, die Stadt Küstrin wiederaufleben zu lassen. Die Kommission für die Rückbenennung, die unter meiner Leitung nun eingesetzt wurde, hoffte, durch eine Abstimmung, die Bevölkerung umzustimmen. Das mißlang. Die Mehrheit entschied sich für den Kompromiß "Küstrin-Kietz".

Aus meiner Sicht war das eine unglückliche Lösung. Unser heutiges Territorium von Küstrin-Kietz ist nicht identisch mit dem alten Küstrin-Kietz vor 1945 und schon gar nicht mit dem Dorf "Kietz" vor der Eingemeindung 1930 in die Stadt Küstrin. Damals entstand aus dem schon bestehenden Stadtteil Lange Vorstadt und dem Dorf Kietz der neue Stadtteil Küstrin-Kietz.

Die Teilung längs der Oder beließ auch wesentliche Teile der Küstriner Altstadt und die ganze Kuhbrückenvorstadt bei Deutschland. Aber das Dilemma um unseren Ortsnamen war noch nicht beendet. Die Orte Manschnow, Gorgast und Küstrin-Kietz wollten eine gemeinsame Großgemeinde bilden. Als neuer Ortsname wurde "Küstriner Vorland" vorgeschlagen und nach einer Abstimmung in der betroffenen Bevölkerung von den neugewählten Abgeordneten angenommen.

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Auch das im Jahre 2000 wieder eröffnete Kulturhaus trägt die Bezeichnung "Küstriner Vorland"

Damit ist nun wohl die letzte Chance verpaßt, die Stadt Küstrin neu zu beleben. Ein Stadtrecht ist schwer zu erringen und birgt viele Vorteile; niemand sollte es leichtsinnig verschenken.

Auch bei einer Eingemeindung der Orte Manschnow und Gorgast in die Stadt Küstrin wären deren Namen als Stadtteile erhalten geblieben. Wenn man sich schon für Küstriner Vorland entschied, warum denn nicht für den einfachen und überall bekannten Namen ûKüstrin- ? Was ist das für ein Durcheinander? Ein Ort kann doch nicht gleichzeitig Küstriner Vorland und Küstrin-Kietz heißen. Den Kartographen werden die Haare zu Berge stehen. Und kann ein Dorf die Ortsteile Küstrin-Altstadt und Kuhbrückenvorstadt als Ortsteil haben? Das ist doch wohl absurd.

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Der Name des Bahnhofs ist korrekt

Was der SED-Unrechtsstaat mit Terror vorbereitet hat, ist nun auf demokratischer Basis vollendet worden: Küstrin ist auf den Landkarten ausgelöscht und nur noch ein geschichtlicher Begriff.

Schlimm ist, daß unser Ort auch wirtschaftlich am Boden liegt. So wird sich wohl bald in der Bevölkerung der Ortsname "Kostrzyner Hinterland" durchsetzen.

Aber es ist auch nicht ausgeschlossen, daß die Stadt Küstrin nach dem Beitritt Polens in die EG ungeteilt wieder als eine Einheit zusammenwächst und Deutsche und Polen die Stadt zu neuer Blüte führen.

Alles fließt, nichts ist ewig.

Rudi Vogt
Küstrin-Kietz