Liebe Vereinsfreunde, werte Anwesende!

Ich freue mich, dass Sie mich für würdig befunden haben, diese Auszeichnung

 

den Johannes-Preis

 

zu erhalten. Recht herzlich danke ich meinen Vereinsfreunden. Ich komme da in gute Gesellschaft, denn meine Vorgänger, Herr Dr. Tamm und Herr Kohlase, sind würdige Vorbilder. Leider hat unser Dr. Tamm schon das Zeitliche gesegnet. Das ist ein großer Verlust für unseren Verein, er ist fast unersetzbar.

Auch ich bin nun schon im 90. Lebensjahr, habe viel erlebt, manches bewirkt und auch Fehler begangen. Das bleibt nun mal nicht aus. Aber was ich nun zu sagen habe, sollten Sie nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Ich bin Küstriner mit Leib und Seele. Leider hat mich meine Krebserkrankung mit anschließender Chemotherapie früh aus dem Rennen geworfen. An meinem schweren Sturz leide ich noch heute. So ist es mir nicht gelungen, die „Ewigen Kietzer“ davon zu überzeugen, dass sie Küstriner sind. Es fehlt denen der Stolz, Bewohner dieser geschichtsträchtigen Stadt zu sein. Es kann doch kein Zufall sein, dass uns nach der Wende mit Rau und Gauck gleich zwei Bundespräsidenten nacheinander besucht haben; mit Manfred Stolpe, der ehemalige Ministerpräsident Brandenburgs, einige seiner Minister, der Landtagspräsident Fritsche und schließlich noch der Aachener Oberbürgermeister. Leider haben sie nichts bewirkt. Aus den Augen - aus dem Sinn.

„Der Ort ist wie leergefegt“, hat mir mein ehemaliger Schüler Wilfried Beyer nach dem Besuch Küstrins vor kurzem geschrieben. So ist das nun mal. Wo kein Verkehr ist, da ist kein Leben. Küstrin an Oder und Warthe, an der damaligen wichtigsten Straßenverbindung durch Deutschland, der B1, hat seine Bedeutung als Verkehrsknotenpunkt gewonnen und nur als Verkehrsknotenpunkt wird es wieder an Bedeutung gewinnen. Das muss erst einmal in unsere Köpfe hinein.

Beschäftigen mit uns noch einmal mit dem Namen. „Nomen est omen“ (Der Name ist ein Zeichen. Oder frei übersetzt: Der Name ist Programm) – das sagten schon die alten Römer vor 2000 Jahren. In demokratischen Abstimmungen entschieden sich die Einwohner gegen die Vorschläge unseres Vereins erst für Küstrin-Kietz statt Küstrin und dann gar für Küstriner Vorland als Namen für die Großgemeinde. Das halten wir für einen großen Fehler. Das stimmt hinten und vorn nicht. Küstrin-Altstadt und Kuhbrückenvorstadt (die Betonung liegt auf Stadt) sind schon dem Namen nach kein Vorland. Und Küstrin-Kietz war ja die Lange Vorstadt, ehe der Kietz eingemeindet wurde.

Mögen die Manschnower und Gorgaster sich Vorländer nennen, froh werden sie damit auch nicht werden. Denn im Vorland geht ihr Ortsname verloren. Ich kann heute einen Brief an einen Bürger dieser Orte schreiben, ohne dass der Ortsname Gorganst oder Manschnow in der Adresse auftaucht. Hatte man das damals bedacht? Nach dem Vorschlag unseres Vereins würde die Anschrift als Ortsteil von Küstrin Küstrin-Gorgast lauten. Die Spandauer, Köpenicker, Charlottenburger und andere waren schlauer. Ihr Ortsname hat Bestand als Ortsteil von Berlin.

Das Vorland ist diskriminierend. Es wird keinen Bestand haben. Spötter nennen uns schon lange „Kostrzyner Hinterland“ und was die Entwicklung östlich und westlich der Oder angeht, sind wir das ja auch. Kostrzyn ist sich inzwischen seiner deutschen Geschichte bewusst. Da können wir uns eine Menge abgucken.

Gibt es denn nun gar keine Hoffnung für Küstrin? Ich denke doch, die Straßen werden nicht leergefegt bleiben. Da ist einmal die angestrebte Gebietsreform in Brandenburg. Kreise, Ämter und Gemeinden sollen zusammengelegt bzw. neu geordnet werden. Setzen Sie sich dafür ein, dass Manschnow oder Küstrin das größere Amt aufnehmen. Golzow ist zu abgelegen und hat unsere Entwicklung bisher wenig gefördert.

Eine zweite Chance bietet die Zunahme des Handels. Die Autobahn über Frankfurt (Oder) ist heute schon total überlastet. Es wird nicht bei der Isolierung Russlands bleiben. Der Westen Europas ist voll entwickelt. Die baltischen Staaten, Weißrussland, der Osten Polens und die Ukraine aber werden beim Aufbau ihrer Wirtschaft unsere Hilfe benötigen. Nicht nur mit den USA und Kanada, auch mit Russland sollten wir ein Freihandelsabkommen abschließen und keinen neuen Kalten Krieg zulassen. Für diesen zunehmenden Warenaustausch wird eine neue Ost-West-Autobahn gebaut werden müssen. Und da bietet sich die alte Trasse der B1 an, dieser ehemaligen Hauptstraße durch Deutschland in Richtung Baltikum. Polen und Deutschland wären gut beraten, wenn sie die neue Oderbrücke nördlich der Warthe-Mündung gleich als Autobahnbrücke planen. In der Planung ist ja schon der durchgehende Eisenbahnverkehr von Berlin nach Pila (Schneidemühl) in Polen.

Und auch die Wasserstraßen werden Ihre alte Bedeutung wiedergewinnen. Das große polnische Industriegebiet in Oberschlesien braucht dringend den Hafen Stettin. Da sollten die Küstriner aufpassen, dass die alte bedeutende Anlegestelle wieder an der Oder benutzt wird.

Bei der Planung für die Bebauung der Oderinsel haben Martin und ich dem Architekten Röder damals viel Zuarbeit geleistet. Diese Pläne haben Unsummen gekostet. Wo sind sie geblieben? Ich denke, sie gehören in unser Museum und natürlich auch die Pläne unseres Dr. Rohr für das neue Ortszentrum am Kulturhaus.

Martin und ich, wir haben auch versucht, das geplante Vertriebenen-Museum nach Küstrin zu holen und dafür die Artillerie-Kaserne vorgeschlagen. Leider erhielten wir nur Absagen. Als Grund sehe ich an, dass die Artillerie-Kaserne unter Denkmalsschutz gestellt worden war. Sanierungskosten unter diesen Bedingungen wären enorm hoch gewesen. Das schreckt Investoren ab. Hier sollte eine Überprüfung stattfinden, meine ich.
Schade, dass alle unseren bisherigen Bürgermeister und Ortsvorsteher unserem Verein ferngeblieben sind. Wenn auch keiner von ihnen in Küstrin geboren und aufgewachsen ist, hätten sie sich doch mehr für die Geschichte unseres Ortes interessieren sollen. Das gilt auch für die meisten Bewohner unseres Ortes.

Mit blutendem Herzen sage ich Ihnen:

„Nur als Küstrin hat unser Ort eine Zukunft. Arbeiten Sie dafür, dass wir nicht als Kostrzyner Hinterland verkommen und leergefegt werden!“

Unsere Mitglieder haben alle enorm viel geleistet. Ich kann sie nicht alle einzeln nennen; aber unseren beiden Frauen, der Roswitha Müller und Heidi Lehmann gebührt mein besonderer Dank. Sie haben unendlich viel Zeit und Mühe für die Vereinsarbeit aufgebracht. Und ich danke Ihnen allen dafür, dass ich heute meine Gedanken äußern konnte.


Rudi Vogt